Orgel | LogIn |
Die Orgel als historisches Instrument wird in Kirchen seit dem 9. Jh. verwendet, jedoch erst ab dem 14. Jh. in der Renaissance mit Instrumenten, die dem heutigen Instrument etwa entsprechen. Die Blütezeit der Orgel war das Barock: Bis heute ist die barocke Orgel (bekannteste Vertreter: Silbermann-Orgeln) Grundmodell für die klassische Orgel. Die Orgel war viele Jahrhunderte bis zur Erfindung der Lautsprechertechnologie die einzige Einrichtung, mit der ein einzelner Kirchenmusiker einen großen Raum musikalisch füllen konnte (vgl. Orgel in wikipedia).
Im Bewusstsein der Kirchenbesucher gilt die Musik der Orgel als typischer Klang des Sakralraumes, erst recht natürlich in historischen Kirchen.
Heute finden zunehmend auch andere Musikinstrumente in Gottesdiensten Verwendung. Für sie ist die Integration von Lautsprechersystemen in den Kirchenraum von wesentlicher Bedeutung (siehe Tonanlage). In größeren Kirchen mit sakraler Atmosphäre wird man beide musikalischen Wege einrichten.
Kriterien für die Aufstellung der Orgel sind:
- Ausstrahlung in den Gesamtraum: Dazu steht die Orgel am besten an einer Stelle
im Kirchenschiff (ungünstiger ist eine Position hinter einem Chorbogen, in einem
Seitenschiff oder unter einer Empore).
- Gleichmäßige Ausstrahlung im Raum: Dazu steht die Orgel in der Regel vorn oder
hinten, jedoch seltener auf der Seite.
- Kommunikation zwischen Organist und Liturg: Für gemeinsames (liturgisches)
Singen und zur Abstimmung im Gottesdienstablauf sind Sichtverbindung und Nähe
von Altar und Orgelbank nätzlich.
- Zusammenspiel mit Chor/Orchester: Dafür ist Fläche an der Orgel am besten,
andernfalls möglichst eine Sichtverbindung.
- Gesehen werden: Für die Gemeinde ist es angenehm, wenn sie die Orgel sehen
kann während diese spielt. Organisten empfinden es (vor allem im Dorf) eher
unangenehm, wenn sie selbst unter Beobachtung durch die Gemeinde spielen mässen.
- Je nachdem spielen noch eine Rolle: Belastbarkeit der Konstruktion (Gewicht
der Orgel), Zugänglichkeit des Ortes (auch Für die Orgelpflege), Rücksichtnahme
auf Kunst im Raum (nichts verdecken, optische Gewichte im Raum nicht ungünstig
verschieben), Kosten.
a) Auf Empore hinten im Raum: Am häufigsten findet man in großen Kirchen
die Orgel auf einer Empore hinten im Raum. Hier klingt sie direkt im Raum der
Gemeinde, ohne dass sie zu nahe an einzelnen Hörern steht. Hier ist oft auch
Raum für Chor oder Orchester auf der Orgelempore. In historischen Kirchen mit
Chorbogen, Seitenaltären und anderem ist die Orgel bei Anordnung hinten nicht
störend. Allerdings besteht in (v.a. gotischen) Kirchen immer wieder das
Problem, dass eine Westrose oder andere Fenster durch eine Orgel verdeckt werden
können.
b) An der Altarwand: In pronounciert protestantisch konzipierten Räumen
(kein Chor) wurde öfter eine Verbindung von Altar, Kanzel und Orgel im Angesicht
der Gemeinde gesucht. Dann befindet sich
die Orgel in der Regel oberhalb des
liturgischen Zentrums an der Vorderwand.
c) Aufstellung seitlich vorn: Wo die Möglichkeit einer rückwärtigen
Orgelempore nicht besteht, wird man die Orgel meistens in einem seitlichen
Bereich möglichst weit vorn in der Kirche aufstellen. Vorteil ist eine Nähe zum
liturgischen Zentrum und zur Gemeinde. In gegebenen Räumen wird man meistens so
planen mässen, dass die Orgel am wenigsten stört. In neuen Planungen bestehen
vielfältige Möglichkeiten, für die Orgel einen passenden Ort im vorderen Bereich
der Kirche einzuplanen.
d) Aufstellung im Chor: Als die Kirchenschiffe mit Emporen zugebaut
wurden um mehr Platz für die Gemeinde zu schaffen, wurden Orgeln häufig in den
Chor gesetzt. Öfter wurde sie auch dort auf eine Empore gestellt. Die letzten
Jahrzehnte haben dazu geführt, dass die historischen Chorräume ausgeräumt wurden
um in ihrer räumlichen Schönheit erlebbar zu sein. Die Chororgelemporen wurden
zumeist herausgenommen. Wo keine wertvollen Chorfenster vorhanden sind, kann die
Orgel zentral im Chor am Boden stehen. Wo die Orgel weder im Schiff noch im
Chorscheitel unterzubringen war, wurde sie an die Seite im Chor gestellt, was
aber weder gestalterisch noch klanglich wirklich befriedigt. Generell ist aus
akustischer Sicht die Aufstellung im Schiff der im Chor vorzuziehen.
e) Schwalbennest-Orgel: Hängt eine Orgel seitlich an der Wand, so
bezeichnet man sie als Schwalbennest-Orgel. Wenn ein Zugang (auch für den
Orgelbauer) möglich ist, erlaubt eine Schwalbennestorgel beeindruckende optische
und klangliche Wirkung. Es ist allerdings zu bedenken, dass ein Wechsel zwischen
Orgelbank und Dirigierpult durch oft weite Wege sehr erschwert wird. Die
Schwalbennest-Orgel ist auch nicht billig.
f) Freie Aufstellung (Solitär): Soll die
Orgel keine Wand berühren, dann ist auch eine freie Aufstellung im Raum machbar.
Die Gestaltung hat sich dabei wie sonst auch am Raum auszurichten. Das fahrbare
große Solitär in Alpirsbach dürfte ein Unikat bleiben.
g) Chororgel/Zweitorgel/Orgelpositiv: Wo die große Orgel auf einer
rückwärtigen Empore steht, besteht oft Bedarf nach einer zweiten Orgel im
vorderen Bereich für konzertantes Zusammenspiel und den kleineren Anlass
(Andachten o.ä.). Kleinere Orgeln sind leichter in Räume einzufügen. Wo eine
mobile Truhenorgel ausreicht, ist das natürlich die beste Lösung.
h) Truhenorgel: Eine Truhenorgel ist eine mobile Orgel, die getragen oder
gerollt werden kann.
i) Spieltisch und Orgelwerk getrennt: Diese Option eröffnet nicht
eigentlich eine andere Positionierung des Orgelwerks, aber eröffnet gewisse Spielräume. Bei
elektrischer Traktur kann die Orgel dann äber eine Fernsteuerung von jedem Platz
in der Kirche aus gespielt werden. Geteilte Werke sind möglich (z.B. rechts und
links an der Wand). Dem Organisten verlangt dies bei größeren
Distanzen jedoch viel ab, da eine Verzögerung zwischen Spielen und Hören
eintritt (eingeschränkt geeignet für Konzerte).
In der Regel stehen die Orgelpfeifen in
einem Gehäuse (je Werk mindestens ein Kasten), das an der Seite zum Raum offen
ist. Meistens wird eines der Werke schließbar konstruiert mittels drehbaren
Schallbrettern oder Läden (Schweller: erlaubt An- und Abschwellen des Tons). Für
das Verständnis einer Orgel ist es hilfreich, wenn man an ihr auch äußerlich
Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal (so die typische Dorforgel) unterscheiden kann.
Größere Orgeln auf eigener Empore haben öfter ein Rückpositiv, d.h. ein kleines
Orgelwerk an der Emporenbrüstung im Rücken zur Orgel.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat man experimentiert mit offenen
Pfeifenstellungen (kein Gehäuse), ist aber aus klanglichen Gründen wieder davon
abgekommen. Orgeln erhalten durch das Gehäuse einen Resonanzraum, der sie runder
und voller klingen lässt. Nicht zu empfehlen ist der Einbau von Orgeln in die
Wand (d.h. in eine Nische), da der dabei vorhandene bauliche Resonanzraum
klanglich in der Regel nicht befriedigt.
Die offene Gehäuseseite mit den dort sichtbaren Pfeifenstellungen nennt man
Prospekt. Diese Seite wird gern noch mit zusätzlichen Schmuckelementen umspielt,
die rein gestalterische Funktion haben. Die Pfeifen im Prospekt wirken stark an
dessen Gestaltung mit. Die klassischen Prospektpfeifen sind so genannte
Prinzipale (typische "normale" Orgelpfeife). In letzter Zeit wurde immer wieder
damit experimentiert, auch Holzpfeifen im Prospekt zu verwenden und die
Oberflächen besonders zu gestalten. Auch Metallpfeifen werden zunehmend farbig
oder ornamental gestaltet.
Da Pfeifenorgeln sehr teuer sind, laufende Wartung benötigen und anfällig auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen reagieren, wurden schon seit Jahrzehnten elektrische Orgeln entwickelt. Mit der Erfindung der digitalen Klangerzeugung gibt es heute Digitalorgeln, die der Laie im Klang nicht von einer echten Pfeifenorgel unterscheiden kann. Spezialisten werden freilich weiterhin das Spielgefühl der Pfeifenorgel, die unnachahmliche räumliche Aufstellung der Pfeifen und bestimmte klangliche Feinheiten und Intonierbarkeiten schätzen.
Für das gottesdienstliche Orgelspiel reichen digitale Orgeln nicht nur aus, sondern bieten auch Vorteile: Sie sind stimmsicher, kaum störanfällig (anders als ältere Elektroorgeln), benötigen weniger Platz und sind preislich wesentlich günstiger als Pfeifenorgeln. Vorteilhaft kann auch die Kombinierbarkeit mit populärer Musik sein (sowohl durch die Lautsprecher wie auch die Tastatur). Schließlich werden für eine Zukunft mit weniger Organisten automatisierte Spielverfahren immer wichtiger (Musik und Liedbegleitung auf Knopfdruck).
Zur Installation einer digitalen Orgel mit Pfeifenklang legt sich die Illusion eines Pfeifenwerkes nahe. Dies kann in sehr reduzierter Form durch die Gestaltung der Lautsprechergehäuse erfolgen, oder durch Einbau der Lautsprecher in Pfeifen (so genannte Pfeifenresonatoren), oder durch Aufstellen einer Reihe Pfeifen vor dem Lautsprecher. Auch kombinierte Modelle sind auf dem Markt, bei denen Pfeifenregister und digitale Klangerzeugung sich ergänzen. Gewarnt werden muss vor der Installation von Lautsprechern in der Wand (statt vor der Wand), weil dabei unkalkulierbare Resonanzräume entstehen.
Text: Gunther Seibold (unter Verwendung der angegebenen Quellen) Zum Seitenanfang
Startseite kirchbau.de
Theologie •
Gottesdienst/Liturgie •
Kirchenraumpädagogik •
Bauideen/Entwürfe/Technik
Einführung •
News/Hinweise •
Links
© 2001-2021 redaktion kirchbau.de | Haftungsausschluss Datenschutzerklärung | Literaturverzeichnis • Umgang mit Quellen • Fotos |