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Artikel mit Erwägungen zur Kirchenheizung

Quelle: Internet, vgl. www.eurac.edu (freies Institut in Südtirol)

Akademie heizt den Kirchen ein

Die Beheizung der Gotteshäuser ist eine Gratwanderung zwischen Behaglichkeit, Kosten und Denkmalpflege
Academia Nr: 20 (September - Dezember / settembre - dicembre 1999)

von Alexandra Troi


„Kirchenheizung – ja und? Das kann doch nicht so schwierig sein", ist so mancher wohl geneigt zu sagen. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich das Problem in seiner Vielschichtigkeit: „Nicht zu frieren", wünschen sich die Kirchgänger, „möglichst billig", diktieren die finanziellen Möglichkeiten, und zudem gilt es zu beachten, daß Altäre, Orgel und Fresken unter der Beheizung nicht leiden. Da sich die Kirchen in Größe, Lage, Ausstattung und Häufigkeit der Gottesdienste deutlich unterscheiden, gibt es kein Patentrezept für's optimale Heizen. An der Akademie werden deshalb Leitlinien erarbeitet, die den Verantwortlichen helfen, das für die jeweilige Kirche bestmögliche Heizungssystem mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln. Eine Einführung in die Problematik, die Situation in Südtirol und mögliche Lösungsansätze bietet Ihnen der folgende Artikel.

Ein einsamer Kirchgänger drängt sich näher ans Ewige Licht, Wärme suchend in diesem zugigen Gemäuer. Die Orgel jault zum Erbarmen: Verstimmung allerseits, und die klammen Finger des Organisten tun ihr Übriges dazu. Traurig schielt der Hl. Sibirius, Patron der Heizungen, von seinem abblätternden Fresko, überzogen von Salzausblühungen, auf dieses triste Szenario. Schuld an der Misere, das ist allgemein bekannt, trägt die Heizung des Gotteshauses, ein ewiges Streitthema im Pfarrgemeinderat: „So richtig durchheizen, dann kommen die Leute auch wieder zur Messe", fordert der Mesner, „Viel zu teuer! Besser stoßweise Erwärmen", entgegnet die sparsame Hausfrau. „Gar nicht heizen", empfiehlt hingegen der Kunstfreund. Der Pfarrer versucht einen Mittelweg, schaltet und waltet im Heizraum, doch die schwarzen Streifen an den Wänden zeugen von einer wenig glücklichen Hand beim Versuch, allen drei Aspekten, Behaglichkeit, Kosten und Denkmalpflege gerecht zu werden.

Die Quecksilbersäule
Klar, niemand erwartet Wohnzimmertemperaturen in seiner Kirche, und deshalb ist es im Zusammenhang mit Gotteshäusern auch korrekter, von „Temperieren" anstatt von „Heizen" zu sprechen: Je kälter es draußen ist, desto wärmer angezogen kommen die Besucher in den Kirchenraum, und um so niedriger kann die Innenraumtemperatur gehalten werden, ohne daß die Kirchgänger frieren. Etwa 12°C empfinden sie bei üblicher Winterbekleidung als durchaus angenehm.
Ob es sich in der Kirche aushalten läßt, hängt aber beileibe nicht nur von der Lufttemperatur in ihrem Inneren ab. Auch die Temperatur ihrer Wandflächen spielt eine Rolle: Niemand will länger in der Nähe eines kalten Fensters sitzen, und ebenso lebt es sich gerade bei längerem Aufenthalt angenehmer in Kirchenräumen, deren Mauern etwa dieselbe Temperatur wie die Raumluft haben, als in Gotteshäusern, deren Luft nur kurzfristig aufgeheizt wurde und deren Wände u.U. nur knapp über 0°C aufweisen. Kalte Flächen „entziehen" dem menschlichen Körper laufend Wärme. Außerdem bringen unterschiedliche Temperaturen innerhalb des selben Raumes Zugluft mit sich, und auch das wird als unangenehm empfunden.

Der Säckel
Einen Kirchenraum durchgehend zu beheizen, kostet im allgemeinen mehr Energie als das kurzfristige Aufheizen der Raumluft für die Gottesdienste. Gleichzeitig braucht es für durchgehende Beheizung jedoch eine wesentlich kleinere Anlage, die deutlich weniger kostet, und besser ausgelastet werden kann. Dadurch steigt der Wirkungsgrad der Heizanlage. Außerdem kann die Kirchentemperatur insgesamt niedriger gehalten werden: Besucher empfinden dank ähnlicher Luft- und Oberflächentemperaturen schon niedrigere Temperaturen als angenehm. Für relativ oft genutzte Kirchen kann es unter diesen Gesichtspunkten durchaus auch aus finanzieller Sicht sinnvoll sein, durchgehend zu heizen.

Die „Bewahrung der Schöpfung"
Jeder kennt aus dem eigenen Badezimmer die unangenehm beschlagene Spiegelfläche nach dem Verlassen der Dusche. In der Kirche herrscht im allgemeinen zwar keine „Waschküchenatmosphäre", doch auch dort kann aufgeheizt warme Luft viel mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte. Das bedeutet in einer temperierten Kirche folgendes: Die beheizte Luft im Aufenthaltsbereich der Kirchgänger nimmt, wie in einer Duschkabine, Feuchtigkeit auf (z.B. aus feuchter Kleidung und Atem). In der Nähe der kalten Kirchenwände kühlt sie dann jedoch so weit ab, daß sie den vorher aufgenommenen Wasserdampf nicht mehr halten kann. Diese Feuchtigkeit kondensiert daher, wie beim Badspiegel, an den Wandflächen, und das ist schlecht: An feuchten Oberflächen bleibt Staub und Schmutz nämlich regelrecht „kleben", und außerdem schimmeln die Wände.
Was geschieht aber, wenn gerade niemand duscht, das Bad aber trotzdem beheizt wird, oder, anders gefragt: wenn die Kirche temperiert wird, während niemand drinnen sitzt? Die erwärmte Luft wird relativ trocken und entzieht den Wänden ihre Feuchtigkeit. In vielen Wänden sind aufgrund ihres Aufbaues oder nachheriger Einwirkungen, ähnlich wie in Nudelwasser, Salze verschiedenster Art gelöst. „Verkocht" die warme Heizluft jedoch das Wasser aus der Wand, kristallisieren die Salze und bilden außen an der Wand sog. Salzausblühungen. Kristallisieren die Salze hingegen knapp unter der Oberfläche, sprengen sie die oberste Schicht weg, was die Wissenschaftler als Abmehlungen bezeichnen.
Stark schwankende Luftfeuchtigkeit bringt aber nicht nur die Wände ins Schwitzen, sondern verlangt auch allem Holz in der Kirche das letzte ab: Beispielsweise gibt der kunstvoll geschnitzte Altar bei geringer relativer Luftfeuchtigkeit Wasser an die Luft ab, bei großer Feuchtigkeit nimmt er wieder Wasser auf. Diese Vorgänge bringen den Altar zum Schwellen und Schwinden. Für das Holz selbst wird das erst dann zum Problem, wenn die Luftfeuchtigkeit so weit absinkt, daß sich sog. Schwindrisse bilden, die auch durch neuerliche Feuchtigkeitszufuhr nicht wieder „geheilt" werden können. Viel früher geht es hingegen den Holzmalereien an den Kragen: Die Farben dehnen und stauchen sich nicht mit dem Flügelaltar oder den Tafelbildern, sie blättern einfach ab.
Wenn es in einem Raum an verschiedenen Stellen verschieden warm ist, dann bewegt sich die Luft schneller als in gleichmäßig warmen Räumen. Das gilt auch für Kirchen, wo im Winter stärkere Luftwirbel entstehen können: Die Kirche wird „zugig", und, was von der Denkmalpflege her bedenklicher ist, die schnelle Luft reißt mehr Staub und Schmutz vom Boden mit sich, Kerzen flackern und rußen, und all dieser Dreck lagert sich letztendlich an den Wänden und den Gemälden ab.
Grundsätzlich gilt also: Heizungsbedingte Veränderungen von Temperatur und Feuchtehaushalt wirken sich auch auf Gemäuer und Einrichtungsgegenstände aus, und sind daher denkmalpflegerisch relevant. Aber nicht nur Heizen, auch Nicht-Heizen bringt das Gotteshaus in Schwierigkeiten: Sinkt die Mauertemperatur unter 0°C, gefriert das in feinen Ritzen gespeicherte Wasser, sprengt und zerstört Schritt für Schritt Mauermaterial, Putzschichten und - in schlimmen Fällen –auch Fresken. Wird eine Kirche plötzlich stärker besucht, steigt auch die Feuchtigkeit in ihrem Inneren, und dadurch verstärkt sich das soeben beschriebene Phänomen. Durch das „Hereinlüften" von warmer Frühlingsluft sollen vielfach der Wintemief verjagt und sonnige Wärme herein gelockt werden. Wurde die Kirche im Winter nicht oder kaum beheizt, dann sind ihre Wände im Frühling noch sehr kalt, und es entsteht die sog. „Sommerkondensation": Die dank ihrer Temperatur relativ feuchte Außenluft kühlt sich am Gemäuer ab, die Feuchtigkeit fällt aus, die Wand wird naß und schmutzt.

Wie heizen?
Die Praxis kennt in Kirchen vor allem drei Heizungstypen, je sowohl in Reinform als auch in Kombination: Wenn sich der Kirchgänger über den vorgewärmten Sitzplatz freut, dann liegt das vielleicht an der Sitz- oder Kniebankheizung: Mit Warmwasser oder elektrisch geheizte Röhren oder Platten strahlen Wärme an die nähere Umgebung ab. Die gesamte Heizleistung derartiger Systeme ist im allgemeinen eher gering, die Kirche bleibt daher abgesehen von den Kirchenbänken kalt. Im Altarraum und an den äußeren Enden der Bänke kommt es entsprechend oft zu unerwünschter Zugluft.
Die Fußbodenheizung wird in den allermeisten Fällen mit Warmwasser gespeist, kann jedoch auch mit Warmluft oder elektrisch betrieben werden. Durch die großen Speichermassen im Boden ist sie als System sehr träge, und empfiehlt sich entsprechend für stationäres Heizen. Der Einbau einer Fußbodenheizung ist ziemlich teuer, weil dafür der gesamte Unterboden aufgerissen werden muß, und daher kommt ein Neueinbau im allgemeinen nur gleichzeitig mit anderen Restaurierungsmaßnahmen in Frage. Die Luftheizung ist die älteste Art, eine Kirche zu erwärmen: Dabei wird an verschiedenen Stellen im Raum warme Luft eingeblasen und wieder abgesaugt. Dieses Heizsystem reagiert sehr schnell, ist gut regelbar und bietet großen Kirchen die einzige Möglichkeit, effektiv zu heizen. Aber gerade weil Luftheizungen schnelles und starkes Heizen erlauben, bergen sie auch beträchtliche Gefahren: Bei falscher Einstellung, Auslegung oder unsachgemäßer Handhabung schadet die Luftheizung dem Gotteshaus am schnellsten und meisten.
Mit allen drei Heizungstypen kann eine Kirche grundsätzlich durchgeheizt oder stoßweise erwärmt werden. Allerdings ist oben schon angeklungen, daß z.B. Fußbodenheizungen für stationäres Heizen auf eine konstante Temperatur am besten geeignet sind, während sich eine Bankheizung, die ja nur lokal wirkt und deren Betrieb teuer ist, vor allem für Heizen während der Gottesdienste anbietet. Luftheizungen werden sowohl durchgehend als auch stoßweise betrieben und bieten durch ihre Regelbarkeit zudem die Möglichkeit, durchgehend eine bestimmte Grundtemperatur zu halten und die Temperatur vor Gottesdiensten langsam zu erhöhen, so daß keine großen Luftströmungen entstehen.

Welche Heizung für welche Kirche?
Jede Art zu heizen bringt also Vor- und Nachteile mit sich. Gibt es überhaupt ein optimales Kirchenheiz-System oder hängt es von jeder einzelnen Kirche ab, welche Heizung sich für sie gerade am besten eignet?
Ein grundsätzlicher Nachteil der Fußbodenheizung könnte z.B. in der Tatsache liegen, daß zu ihrem Einbau der Kirchenboden aufgerissen werden muß. Das ist bei einem kunsthistorisch wertvollen Plattenbelag ein gravierender Faktor, während der Nachteil bei einem ohnehin zu erneuernden Boden praktisch nicht ins Gewicht fällt. Gleichzeitig gilt zum Beispiel zu bedenken: Befinden sich in der Kirche Kunstwerke von großem historischen Wert, wird der Aspekt der Denkmalpflege bei der Entscheidung für das richtige Heizungssystem wichtig sein Für ein Gotteshaus dagegen, in welchem sich Gläubige den ganzen Tag über aufhalten, wird vordringlich die Behaglichkeit der Besucher im Auge zu behalten sein.

Kirchenheizung in Südtirol
Um sich ein Bild von der Situation in Südtirol zu machen, wurden im Sinne einer Bestandsaufnahme 30 über das ganze Land verteilte Kirchen unterschiedlicher Größe und Nutzung auf Heizungssystem und Betriebsweise, eventuelle Schäden und Kosten hin untersucht.
Das typische Schadensbild in Südtiroler Gotteshäusern ist wohl die Schwärzung der Wände. Sie ist häufig bei älteren Luftheizungen im Bereich der Luftauslässe zu beobachten, aber auch Kirchen mit Bankheizungen bleiben nicht vor ihr verschont. In einigen Fällen konnte auch der für Bodenheizungen typische nach oben zunehmende graue Schleier an den Wänden registriert werden. Solange nur weiße Wände betroffen sind, ist das Problem ein rein finanzielles, treten die Schlieren jedoch im Bereich von Fresken auf, bringt jede Reinigung einen Verlust von Originalfarbe mit sich. Einige Kirchen leiden auch unter Schimmelbefall, in anderen kommt es lokal zu Salzausblühungen. Um bei alten und wertvollen Orgeln Schwindrisse zu vermeiden, hilft oft eine lokale Befeuchtung, in einfachster Art und Weise z.B. durch einen aufgestellten Kübel Wasser im Orgelinneren.
Was die Temperatur angeht, ist das Angebot in Südtiroler Kirchen sehr vielfältig: Von Gotteshäusern, in denen winters das Weihwasser gefriert bis zu „mollig warmen" 15°C ist alles vorhanden. Allerdings kann man sagen, daß die Temperatur, auf die geheizt wird, doch erstens sehr von der jeweiligen Außentemperatur abhängt und zweitens davon, wieviel die Kirche genutzt wird. In Prettau ist nun einmal schwieriger, das alte Gemäuer warm zu bekommen, als in Bozen. Und daß es sich in einer Wallfahrtskirche mit ständigem Kommen und Gehen von Gläubigen eher lohnt durchgehend zu temperieren, als in einer Filialkirche, in der zwei mal in der Woche die Messe gelesen wird, leuchtet auch jedem ein. Grundsätzlich sind es also die kleinen Kapellen hoch oben in den Tälern, die zu den Gottesdiensten mit Bankheizungen temperiert werden, während z.B. im Dom zu Bozen und Brixen Luftheizungen den Gläubigen durchgehend einheizen. Im Großteil der Fälle liegt die Temperatur in etwa zwischen 8° und 12°C.
Die Kosten für die Heizung variieren erwartungsgemäß ebenso stark wie die Temperaturen, Höhenlagen und Größen der Gotteshäuser: von 1.000.000 Lire bis 24.000.000 Lire pro Jahr reicht die Palette.

Ziel der Untersuchung...
Das Projekt soll, in einem Satz, dem Planer ein Instrument bieten, um mit vertretbarem Aufwand das bestmögliche Heizungssystem für eine bestimmte Kirche zu ermitteln. Bestmöglich im Sinne einer Lösung die sowohl den Kirchgängern nicht erfrieren läßt, als auch für kunsthistorisch wertvolles Inventar akzeptabel ist und nicht zuletzt Geld und Energie sparen hilft.

... und der Weg dorthin
Wie Temperaturen und Feuchtigkeit auf die Kunst und den Menschen wirken, ist aus einer ganzen Reihe von internationalen Untersuchungen hinreichend bekannt. Darüber, wie Heizungstyp und Heizweise die Verteilung von Temperatur und Feuchtigkeit in Kirchen beeinflussen, gibt es hingegen viele Meinungen und wenig Wissen. Und genau da soll die Untersuchung ansetzen. Mit Hilfe des Computers werden verschiedene Variante durchgerechnet: zum Beispiel große und kleine Kirchen, täglich genutzte und Hochzeitskapellen, mit Bankheizung, Fußbodenheizung oder Luftheizung, und das für verschiedene klimatischen Gegenden in Südtirol. Danach ist es nur noch ein weiterer Schritt, Kriterien für die Wahl des bestmöglichen Heizungssystems für eine bestimmte Kirche zu formulieren.

Dipl. Ing. Alexandra Troi, wissenschafliche Mitarbeiterin im Bereich „Alpine Umwelt" an der Europäische Akademie Bozen
Alexandra.Troi@eurac.edu

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