75210 Keltern-Dietlingen-Dietlingen: evang. Andreaskirche (vor 1500) Direkt zu: Beschreibendes • Bildergalerie • Landkarte ◼ ADRESSE
Selbstdarstellung der Kirche durch die Gemeinde:
Unser Gotteshaus ist samt Wehranlage Ende des 15. Jahrhunderts nach dem Bautyp jener Zeit mit Turm, Langhaus und Chor erbaut worden. Es wurde dem Heiligen Andreas geweiht, einem Jünger Jesu, Patron der Fischer und Seiler; er soll als Märtyrer an einem Kreuz mit diagonal sich schneidenden Balken gestorben sein. (Siehe Darstellung im rechten Chorfenster unten). Das Netzgewölbe des Chores wurde durch zwei Schlußsteine zusammengefaßt. Einer von ihnen trägt die Inschrift: »Qui est ex deo verba dei audit« (Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes). Das Kirchenschiff (Langhaus) erhielt 1785 an der Nordwand einen Anbau im klassizistischen Stil. Beim Umbau 1956 wurde die Südwand entsprechend erweitert, die alte Holzempore beseitigt und durch eine umlaufende aus Beton ersetzt. 1975/76 erfolgte die Restaurierung des Chores. Dabei sind im Chorbogen bäurische Barockornamente entdeckt und freigelegt worden. Zwei römische Grabplatten waren ursprünglich links bzw. rechts an der Westseite des Turmes beim Haupteingang eingemauert. Eine steht heute als Abguß an der Innenseite der Wehrmauer. Sie zeigt einen Mann in kurzgeschürzter Tunika, einen Krug tragend. Die beiden Fresken in der Eingangshalle des Turmes sind vermutlich Gelübdebilder aus dem 15. Jahrhundert, die aus Anlaß einer Kriegs- oder Pestzeit gestiftet worden waren. Links ist der Märtyrertod Sebastians dargestellt, der von Armbrustschützen erschossen wird. Sebastian war nach der Legende Offizier der Leibgarde des römischen Kaisers Diokletian und bekannte sich zum Christentum. An der Kreuzigungszene nehmen als Vertreter für den Staat ein Richter mit dem Richterstab und für die Staatsreligion ein Priester teil. Die dritte Person müßte der Hauptmann des Hinrichtungskommandos sein. Rechts, am oberen Bildrand, ist die Hand Gottes sichtbar, ein Hinweis, daß nichts auf Erden oder im Himmel geschieht, von dem ER keine Kenntnis hat. Das Fresko gegenüber zeigt die sogenannte Schutzmantel-Madonna, wie sie unterm Sternenmantel Menschen Zuflucht gewährt. Ihre Geste bittet den auferstandenen Herrn um sein Erbarmen für die leidende Menschheit. Die Buntglasfenster mit ihren leuchtenden Farben im Chor ersetzen die Fischblasenmaßfenster aus früherer Zeit. Sie predigen in ihrer Bildersprache von entscheidenden Ereignissen des Alten und Neuen Testaments. Im linken Fenster erkennen wir u.a. die Vertreibung aus dem Paradies, Isaaks Opferung, Mose mit den Gesetzestafeln und dem rettenden Kreuz, worauf Gottes Hand weist. Im mittleren Chorfenster sind die Geburt Jesu, seine Taufe, Kreuzigung und Auferstehung dargestellt. Das rechte Fenster verkündet das Weltgericht und erzählt vom Märtyrertod des Heiligen Stephanus und des Schutzpatrons unseres Gotteshauses. 1998 wurde das vierte Fenster als Tauffenster vollendet. Der Karlsruher Kunstprofessor Emil Wachter wurde vom Kirchengemeinderat beauftragt das zu gestalten. Es veranschaulicht in jeweils drei Szenen drei biblische Wassergeschichten: die Sintflut, den Durchzug des Volkes Israel durch das rote Meer und die Jona Geschichte. Der Künstler spart dabei nicht mit Anspielungen auf gegenwärtige Bedrohungserfahrungen, so etwa, wenn er einen VW-Käfer in der Sintflut untergehen läßt und damit auf die Müllflut hinweist. Der romanische Taufstein ist wohl das älteste Zeugnis christlichen Glaubens in Dietlingen und soll schon in der Urkirche Mitte des 13. Jahrhunderts gestanden haben. 1329 wird urkundlich ein Heinricus plebanus (Volkspriester) in Duthelingen erwähnt. Das Kirchspiel Ellmendingen mit Dietenhausen und Weiler war in jener Zeit Dekanatssitz des Bistums Speyer. Der nachträgliche Einbau der Kanzel nach der Reformation 1612 fällt mit der Neuanlage des Gottesackers zusammen. Er wurde außerhalb der Wehrmauer, den Römerberg aufwärts, geschaffen und ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. Der aufgelassene Friedhof innerhalb der Wehrmauer diente bis ins 19. Jahrhundert hinein zur Bestattung von sogenannten Nichtehrbaren wie Fremden oder Verbrechern. Von Kriegszeiten berichten die guterhaltenen Wehrmauern, hinter denen sich die Bürger bergen und verteidigen konnten. Die Gesamthöhe beträgt etwa acht Meter. Die Steinplatten des Wehrgangs gehen durch die Mauer hindurch und tragen als vorkragende Konsolen die Brustwehr an der Außenseite. Kirchturm wie Mauern besitzen Schießscharten. Im Kirchenspeicher befanden sich früher »Gaden«, das sind Kammern für die Lebensmittelvorräte und Familienhabseligkeiten. Die Geschichte der Glocken beginnt schon im 17. Jahrhundert. Sie wurden 1690 von den Franzosen weggeholt. 1695 konnte man wieder zwei Glocken auf Ortskosten beschaffen. 1790 zersprang die große Glocke; aus ihrem Material konnten zwei neue gegossen werden. Die Kosten dafür brachten die Bürger durch freiwillige Spenden auf. Alle drei läuteten im Dreiklang Fis-A-Cis bis 1917. Für Rüstungszwecke des ersten Weltkrieges mußten zwei Glocken abgegeben werden. 1922 wurden neue geweiht, die von der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe gegossen worden waren. Sie stellten den ursprünglichen Dreiklang wieder her. Aber zwanzig Jahre später mußten wieder zwei für Rüstungszwecke des zweiten Weltkrieges geopfert werden. Die der Gemeinde verbliebene große Glocke von 1801 überstand auch diese Kriegszeit. Sie hat auf der Vorderseite folgende Inschrift: »Dietlingen Oberamts Pforzheim. Damals waren Herr C. F. Rink Pfarrer; H. M. Eberle Schultheiss; H. D. Bischoff Anwald; H. J. Birkle Schulmeister.« Auf der Rückseite steht: »Gegossen von C. G. Neubert in Ludwigsburg 1801. Carl Friedrich Markgraf von Baaden.« Der zuletzt Genannte ist der spätere Großherzog Friedrich I., in dessen Regierungszeit das »Physiokratische System« in Dietlingen erprobt und die Leibeigenschaft in Baden aufgehoben wurde. Seit 1949 hat unsere Kirche ein vierstimmiges Geläute in Dis-Fis-Gis-Ais (H ab 1958). Die Glocken erhielten folgende Namen: Maranatha, Rogate, Hephata, Vaterunser (Gloria ab 1958). Die aus Stahl gegossenen drei Glocken mußten 1990 durch drei neue Bronzeglocken ersetzt werden. Zwei stehen heute als Zeugen einer schweren Zeit neben dem Turm, die dritte befindet sich im Heimatmuseum Keltern. Eine Orgel besaß unser Gotteshaus schon im 17. Jahrhundert. Sie stand im ursprünglichen Chor. Die Hoforgelbauer Gebrüder Stieffel von Rastatt bauten 1820 eine Orgel mit 10 Registern und einem Pedal mit drei Registern. Die meisten Teile konnten 1938 beim Umbau von der Firma Walcker (Steinsfurt) und 1976 von der Firma Vleugels (Hardheim) wiederverwendet werden. Walcker fertigte ein zweites Manual mit sechs Registern und vier Bässen dazu; Vleugels gab der seit 1957 auf die Empore gesetzten Orgel den neuen Prospekt und hat die alten Pfeifen der Gebrüder Stieffel so umgearbeitet, daß sie wieder dem ursprünglichen Klang von 1820 entsprechen. In diesem Sinn wurde auch das Rückpositiv dazugebaut. Ein Gotteshaus wie dieses ist mehr als die Summe von Fakten historischer, architektonischer, kultureller, ja auch theologischer Art - es ist Zeuge christlichen Glaubens über Jahrhunderte hinweg. Weitere ausführliche Informationen erhalten Sie unter: www.ekidi.de im Bereich »Archiv«. Andreaskirche Dietlingen in Ansicht kirchbau.de (andere Daten zu Beschreibung und Geschichte)
GEOBDEZ 48.895416
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